Du sollst nicht glücklich sein.
Du sollst nicht glücklich sein.

Du sollst nicht glücklich sein.

Warum du nicht immer glücklich sein musst: Eine neue Perspektive auf Glück und wo du es findest.

 Wir stellen uns gern vor, glücklich zu sein. Glücklich zu sein, wenn wir diesen Job bekommen, dieses Haus gekauft, dieses Kind zur Welt gebracht oder jenes Ziel erreicht haben. Ein glückliches Leben führen. Für viele Menschen ist Glück ein Lebensziel, das wonach man strebt. Glück soll sich einstellen, sobald man das geschafft hat, von dem man glaubte, man müsse es schaffen, um sich das Glück zu verdienen. Und trotzdem sind wir immer wieder unglücklich, auch wenn wir alle Ziele erreicht und alle Hürden überwunden haben. Sind wir nicht dazu bestimmt, unser Glück zu finden? Oder ist das Unglücklichsein unser vorherbestimmtes, menschliches Schicksal?

1. Was ist wahres Glück?

Um solch komplexe Fragen zu beantworten ist es nötig, dass man den Begriff „Glück“ definiert. Er wird in vielen verschiedenen Zusammenhängen in unterschiedlichen Bedeutungen genutzt. Im Casino bedeutet Glück beispielsweise den zufällig positiven Ausgang eines Spiels zugunsten des Spielers. Was dieser daraufhin womöglich empfindet, ist ein Glücksgefühl. Eine euphorische und zufriedene Emotion. Glück kann aber auch als ein Zustand in Verbindung mit der Lebenszufriedenheit definiert werden. Demnach ist das Glück höher, je zufriedener eine Person mit ihrem Leben im gesamten ist.
Glück lässt sich also von vielen Seiten definieren. Wenn wir von uns behaupten, glücklich zu sein, dann kann das meist zweierlei bedeuten. Entweder, wir erfahren gerade einen glücklichen Moment: Wir sitzen gemeinsam mit unserem Lieblingsmenschen, guter Musik und vielen Keksen am Strand und beobachten, wie die Sonne im Meer versinkt. Oder wir haben den ganzen Tag damit verbracht, eine Terasse zu bauen, sitzen nun entspannt auf den Stufen und genießen unser Werk. Nennen wir das situatives Glück.
Wenn wir uns unabhängig vom aktuellen Moment als glücklich bezeichnen, dann meinen wir meist damit, dass wir zufrieden mit unserem Leben sind. Es geht dabei nicht um einen Moment oder einen Aspekt. Es geht um die Gesamtbewertung. Wichtig dabei ist, dass es sich hier nur um die eigene Bewertung dreht und nicht darum, als wie glücklich andere Personen unser Leben empfinden. Wenn wir nicht zufrieden mit unserem Leben sind und uns von außen gesagt wird, wie zufrieden wir doch damit sein können, dann hat das meist zur Folge, dass man noch unzufriedener wird. Bei dem Zufriedenheitsglück dreht es sich also ausschließlich um die eigene Bewertung seines Lebens.

2. Glück ist nicht immer das Ziel

Ich glaube, dass sich das situative Glück und das Zufriedenheitsglück vor allem in der Intensität in der wir es wahrnehmen unterscheiden. Wenn wir uns ein glückliches Leben vorstellen, dann erwarten wir meist so starke Emotionen wie wir sie beim situativen Glück empfinden. Und darin liegt der Grund, warum wir nicht glücklich sein können, zumindest nicht immer. Würden wir uns ständig in einem Zustand dieses situativen, intensiven Glücksgefühls befinden, würde es für uns den Reiz verlieren. Wir würden es nicht mehr zu schätzen wissen und irgendwann gar nicht mehr bemerken, dass es da ist. Das Leben besteht aus Kontrasten. Nichts ist nur schwarz oder weiß oder grau. Fällt eine Facette weg, versteht man die andere nicht mehr als Variable, sondern als Konstante, die wir beginnen, als selbstverständlich zu sehen.
Ohne Tiefen gibt es keine Höhen, denn dann stellen die Höhen nur die neue Baseline dar.
Es ist uns also nicht bestimmt, einen konstanten Zustand des situativen Glücks zu erleben. Wie sieht es aber mit dem Zufriedenheitsglück aus? Das Zufriedenheitsglück ist weitgehend unabhängig von kleinen situativen Schwankungen im Alltag. Es steckt viel mehr in den kleinen Dingen, den Routinen und den relativ konstanten Umständen. Eine umgekippte Tasse Kaffee am Morgen kann es nicht aus der Bahn werfen. Wir würden unser Leben im gesamten trotzdem noch ähnlich bewerten, wie wir es zuvor getan haben.

 

Anders steht es mit großen Veränderungen. Ein ungewollter Jobwechsel, ein Trauerfall in der Familie, eine verpasste Karrierechance. Während diese Ereignisse die Gesamtbewertung des Lebens und somit das Zufriedenheitsglück beeinträchtigen kann, ist es uns trotzdem möglich auch in schweren Zeiten situatives Glück zu erleben, relativ unabhängig davon, wie die konstanten Umstände gerade sein mögen.

"Der echte Name für Glück ist Zufriedenheit"

Henri-Frédéric Amiel

3. Das Streben nach Glück

Was genau wünschen wir uns also, wenn wir sagen, dass wir im Leben nach Glück streben? Suchen wir nach einer Grundzufriedenheit mit der Gesamtsituation oder suchen wir nach einem reibungslos und perfekt ablaufenden Leben, das ausschließlich aus positiven Momenten besteht und so gut wie keine Schwankungen aufweist? Zugegebenermaßen klingt Letzteres ziemlich verlockend. Wenn ich die Chance hätte, mir zu wünschen, dass alles immer wie am Schnürchen läuft, dann würde ich das vielleicht sogar tun. Wenn man aber darüber nachdenkt, würden wir dann nur unaufmerksamer gegenüber den Dingen werden, die uns früher glücklich gemacht hätten. Auf der anderen Seite würden wir vermutlich auch viel intensiver auf jeden noch so kleinen Fehler reagieren. Da kann die umgekippte Tasse am Morgen schon einmal zum Weltuntergang werden. Ein durchgehendes situatives Glück hätte also vor allem eine geringere Resilienz und eine geringere Wertschätzung der schönen Momente zur Folge.
Wir brauchen die Tiefen, um die Höhen fühlen zu können, genau wie wir die Höhen brauchen, um die Tiefen zu spüren. Das Zusammenspiel aus beidem gestaltet die Erfahrungen die jeder einzelne Mensch macht und es formt uns zu der Person, die wir sind. Wir sollen also nicht glücklich sein, zumindest nicht ausschließlich und vor allem nicht in der Intensität des situativen Glücks.
Wenn jemand sagt, sein Lebenssinn sei, glücklich zu sein, kann das zweierlei bedeuten. Entweder, die Person strebt mach möglichst vielen glücklichen und besonderen Momente, was nicht das gleiche ist, wie nach konstantem situativem Glück zu streben, oder die Person strebt nach einer eigenen positiven Bewertung ihres Lebens, einem allgemeinen Zufriedenheitsglück. An beidem ist nichts Falsches und an beidem ist nichts Gefährliches. Ein Bewusstsein dafür zu haben, dass das Leben nicht immer perfekt laufen kann und oft unerwartete Wendungen für uns bereit hält, auf die wir uns unmöglich vorbereiten können, ist wichtig, um nicht in einer Sucht nach Perfektion zu versinken.
Die umgekippte Tasse Kaffee am Morgen macht das Leben nicht weniger glücklich. Dass das Kind sich heute morgen nur eine Socke anziehen wollte und sich der zweiten verweigerte, macht das Leben nicht weniger glücklich. Die fehlende Schraube im Bausatz für den neuen Kleiderschrank macht das Leben in der Situation vielleicht komplizierter, aber nicht insgesamt weniger glücklich.
Wir sind nicht dazu bestimmt im Glück zu schwimmen. Wir sind dazu bestimmt zu leben, zu sein, zu bewältigen, zu lachen, zu weinen, zu fühlen, zu genießen, zu kämpfen, zu siegen und zu verlieren. Das Leben ist keine perfekte Instagrampage. Und sein wir mal ehrlich: diese perfekt herausgeputzte Außenwirkung des Lebens dieser Leute wird auch ziemlich schnell ziemlich langweilig.
Also sei glücklich, strebe danach und freue dich darauf.

Aber vor allem: Lebe.

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